Eine der am besten dokumentierten Flussbegradigungen ist die, die nach Plänen von Johann Gottfried Tulla zwischen 1817 und 1876 am Rhein durchgeführt wurden. Bis dahin mäandrierte der naturnahe Fluss auf einer Breite von vier bis fünf Kilometern im Rheingraben hin und her. Es gab unzählige Inseln und Altwässer. Durch die Baumaßnahmen wurde der Fluss zwischen Basel und Mannheim um 81 Kilometer verkürzt und schiffbar gemacht1. Die Fließgeschwindigkeit erhöhte sich und allein bis zum Kaiserstuhl vertiefte sich das Bett um vier Meter. Große Flächen konnten nun landwirtschaftlich genutzt werden und durch die Grundwasserabsenkung, aber auch das Verschwinden des größten Teils der Auen und Auenwälder, verschwand die Malaria. Der Fluß ist nun von Dämmen eingefasst, die Landschaft dicht besiedelt, die Artenvielfalt der Rheinauen aber zum größten Teil verschwunden. Bei großen Hochwassern besteht nun die Gefahr von Fluten, von denen beispielsweise Köln nun betroffen war. Neuerdings versucht man mit Wehren, durch die bei Hochwasser Polder geflutet werden können die neue Hochwasser-Gefahr einzudämmen. In diesen Poldern kann dann auch Auwald wieder neu gedeihen. In ganz Europa gibt es heute außer in Albanien und einigen anderen Gebieten des Balkan keine naturnahen Flüssen mehr. Nur einige Oberläufe sind noch etwas naturnah.

Rheinbegradigung bei Speyer

Rheinbegradigung bei Speyer 1

Landgewinnung Niederlande

Landgewinnung Niederlande 1

Am extremsten ist der Anteil an nicht nur vom Menschen beeinflussten, sondern sogar nur durch den Menschen zu Land gemachten Land in den Niederlanden. Etwa die Hälfte der Fläche des Landes liegt unterhalb des Meeresspiegels. Die Holländer sind und waren absolute Meister in der Landgewinnung und in der Regulierung der Flüsse. Die vielen wunderschönen Windmühlen, welche Touristen gern bestaunen, dienen zum Abpumpen des Grundwassers um die Flächen nutzbar zu machen und zu halten. 13.000 Quadratkilometer sind mit Dämmen und anderen Bauten gegen Hochwasser geschützt. An der Theiß in Ungarn waren schon bis zum Jahr 1887 3420 Kilometer Dämme gebaut worden. Durch Begradigungen verkürzte sich die Länge des Flusses  von 1429 auf 977 Kilometer2. Die naturnahe Auenlandschaft wurde auf riesigen Flächen zu Kulturland.

Für die Schifffahrt wurden große Kanäle gebaut. Den Weg durch Skagerak und Kattegat erspart hochseetüchtigen Schiffen der 1914 fertiggestellte Nord-Ostsee-Kanal, der in West-Ost-Richtung durch Schleswig-Holstein führt. Bis zu 30.000 Schiffe im Jahr befahren ihn. Ein Großprojekt war auch der Main-Donau-Kanal. Flussschiffe können seit 1992 von Rotterdam an der Nordsee nach Constanta an der rumänischen Schwarzmeerküste fahren. Der Kanal hatte großen Einfluß auf die Biozönosen der europäischen Flüsse. Wasserorganismen aus der Donau und dem Schwarzen Meer besiedeln nun den Rhein und andere Süßgewässer in Europa, während die einheimischen Arten aussterben. Der Rhein war nach der Sandoz-Katastrophe biologisch weitgehend tot. Er wurde komplett durch neue Arten aus östlichen Gewässern neu besiedelt.

Der hervorragende Autor Bernhard Kegel hat in seinem Werk „Die Ameise als Tramp“ den Auswirkungen eines Bauwerks ein ganzes Kapitel gewidmet. Es heißt „Die Lessepschen Migranten“. Unter Planung und Leitung von Ferdinande de Lesseps wurde der Suezkanal gebaut und 1869 eröffnet. Die Verbindung des Mittelmeers mit dem Rotem Meer und damit mit dem Indischen Ozean vereinfachte den Schiffsverkehr Europas mit Asien, hatte aber für die Ökologie der nun miteinander verbundenen Gebiete schwerwiegende Folgen. Während nur 50 Arten es vom Mittelmeer ins Rote Meer geschafft haben, veränderten etwa 500 neue Fischarten aus dem Osten das östliche Mittelmeer. Insbesondere der Hasenkopf-Kugelfisch und der Rotfeuerfisch sind schädlich für die dort endemische Biodiversität. Die Auswirkung des Panamakanals auf die Verschleppung von Organismen ist noch nicht annähernd abzusehen. Der Rotfeuerfisch hat aber die Welt der karibischen Korallenriffe schon sehr geschädigt.

Kanäle wurden und werden zur Entwässerung von Mooren und Sumpfgebieten, aber auch zur Bewässerung von Gebieten gebaut, in denen sonst keine Landwirtschaft möglich wäre. In der ehemaligen Sowjetunion entstand dazu ein Paradebeispiel. Die Flüsse Amudarja und Syrdarja wurden mit großen Bewässerungsanlagen angezapft und wüstenhafte Gebiete im heutigen Kasachstan und Usbekistan bewässert. Hier entstanden die wohl größten Baumwollfelder des Ostblocks. Bald erreichte nur noch ein kleiner Teil der einstigen Wassermenge den riesigen Aralsee. Bis 1997 war das Wasservolumen des Sees auf 10 Prozent zurückgegangen, wodurch sich der Salzgehalt vervierfachte. Einige Hafen- und Badeorte liegen heute mehr als 100 Kilometer vom einstigen Ufer entfernt. Touristen fotografieren Schiffe die mitten in einer unendlich scheinenden Salzwüste auf dem Trockenen liegen. Aus dem Weltraum sieht man die kleinen übrig gebliebenen Teil-Seen im Norden und Südwesten. Im Kapitel von der Natur zur Kultur werde ich weitere Aspekte und Fakten zur Be- und Entwässerung schildern. Der Aralsee jedenfalls versinnbildlicht die Endlichkeit aller Ressourcen unseres nicht mit unserer Anzahl und unseren Bedürfnissen mitwachsenden Planeten eindrücklich.

Einige Staaten wollen natürlich trotzdem in allen Belangen wachsen. Auch mit ihrem Territorium selbst. Normalerweise ist das nur durch Eroberungskriege möglich. Weiter oben habe ich schon die Niederländer aufgeführt, die sich zunächst Landverluste durch Sturmfluten zurückholten und nach und nach durch unermüdlichen Fleiß Quadratkilometer für Quadratkilometer  durch Deiche und Entwässerung zu ihrem Land dazu gewannen. Bei einem 1956 fertig gestellten Projekt, der Trockenlegung der Zuidersee, wurden allein 2.200 Quadratkilometer zu Kulturland auf dem heute etwa 300.000 Menschen siedeln. Auch in ihrem Überseegebiet in Suriname wurde Kulturland aus Sumpfland gewonnen um vor allem Zuckerrohr anzubauen.

Der Stadtstaat Singapur prosperiert außerordentlich und hat jeden Quadratmeter der Inseln, auf denen er sich befindet, intensiv ausgenutzt. Um dennoch weiter wachsen zu können, wird nun in gewaltigen Dimensionen Sand im Meer aufgeschüttet um neues Land zu gewinnen. Wie oben beschrieben, wird nun auch Sand zum begehrten und nun sogar oft gestohlenen Gut. Der Wüstenstaat Dubai wurde  im Wesentlichen auf Sand gebaut. Doch der rundkörnige Wüstensand eignet sich nicht zum Bauen und auch nicht für die Anlage der künstlichen Inseln, die der Staat nun überall vor der Küste baut um extrem teure Luxus-Immobilien an die Superreichen der Welt verkaufen zu können. Hundertausende Tonnen Sand werden dazu aus Asien herbeigeschafft. Millionen Tonnen werden am Ende dafür gebraucht. Der Mensch schafft es nun sogar, dass einer der häufigsten Stoffe der Welt, den es eigentlich wie Sand am Meer gibt, rar wird. Alles ist endlich. Alles ist eine Frage der Quantität.

Immerhin konnte ein Großprojekt der Landgewinnung verhindert werden. Das „Atlantropa“-Projekt des Münchner Architekten Hermann Sörgel sah in der Meerenge von Gibraltar einen Staudamm vor, der den Zufluß von Wasser aus dem Atlantik in das Mittelmeer regeln sollte. Durch die hohe Verdunstungsrate wäre der Wasserspiegel des Mittelmeeres rasch gesunken und hätte große Flächen beispielsweise für eine landwirtschaftliche Nutzung bereitgestellt. Er rechnete damit, dass die Anrainerstaaten durch die Vergrößerung ihrer Staatsgebiete das Projekt unterstützen würden. Doch dann begann der Zweite Weltkrieg und danach bestanden Zweifel an der Machbarkeit.

 

4.5.  Die Beeinflussung des Wetters

Seit einigen Jahrzehnten scheint am 9. Mai in Moskau stets die Sonne. Am Tag des Sieges der Sowjetunion über Deutschland ist immer blauer Himmel über dem Roten Platz und den Paraden zu sehen. 100 Kilometer vor der Stadt fliegen 10 bis 12 Transportflugzeuge durch die Wolken und „impfen“ diese zumeist mit Silberiodid und Trockeneis.3 Die kleinen Moleküle bilden Aerosole sogenannte Kondensationskeime, an die sich Wassertröpfchen anlagern. Bald regnen sich die Wolken dadurch ab. Das Verfahren wurde theoretisch schon in den vierziger Jahren erforscht. Am 15. August 1952 wurde es von der britischen Luftwaffe erstmals angewandt. Über der der Ortschaft Lynmouth regneten mehr als 200 mm Niederschlag ab. Die Ortschaft wurde zu 2/3 zerstört, 34 Menschen fanden den Tod.4 Flugzeuge der Royal Air Force hatten die Wolken mit Silberiodid und Salzen geimpft. Allerdings lag die Hochwasserkatastrophe zum großen Teil an der Wetterlage, die durch den Versuch „Operation Cumulus“ aber wahrscheinlich dramatisch verstärkt wurde. In Süddeutschland werden beispielsweise durch die Rosenheimer Hagelabwehr landwirtschaftliche Flächen erfolgreich vor Hagelschäden bewahrt.

Kleine Flugzeuge fliegen direkt in Gewitterwolken und vermeiden die Bildung von Hagel durch früheres Abregnen. Auch in den USA z.B. in Wyoming wird versucht, es etwas mehr regnen zu lassen. Insofern geeignete Wolken vorhanden sind, wird mit auf Anhöhen installierten Brennern, die Silberiodid verbrennen und aufsteigen lassen, versucht, Regen auszulösen. Anlässlich der Olympischen Spiele in Peking 2008 wurde das Wolkenimpfen auch in China erfolgreich durchgeführt und in den Vereinigten Arabischen Emiraten forscht man neuerdings dazu.

Wetterbedingungen können auch durch Anpflanzungen günstig beeinflusst werden. Nicht nur in Steppengebieten der Sowjetunion, sondern auch auf den Großen Schlägen von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft z.B; der LPG Jesewitz hatten Baumschutzstreifen einen günstigen Einfluß auf den Wasserhaushalt des Bodens und auf die Erosion. Mit Schutzwäldern konnte in China erfolgreich die Ausbreitung der Wüste verhindert werden. Ebenfalls in China gab es einst verheerende Fluten des Gelben Flusses, welche insgesamt etwa sieben Millionen Tote forderten. Das durch Übernutzung insbesondere durch Ziegen der Pflanzendecke beraubte riesige Gebiet der Lösplateaus wurde massiv erodiert. Staubstürme brachten die Bodenpartikel bis nach Peking. Die Böden lieferten keinen Ertrag mehr und wurden abgetragen. Im Jahr 1994 begann man mit der Wiederherstellung der Landschaft. Vor allem an Hängen und auf Bergen wurde Wald angepflanzt. Große Teile der Landschaft wurden perfekt terrassiert. Niederschlag floss so nicht schnell ab, sondern versickerte im Boden. Die Landschaft nahem wieder mehr Wasser auf, es gab keine Überschwemmungen mehr. Achtzig Prozent weniger Sediment gelangten in den Gelben Fluß. Leider kommt der geplante Waldgürtel in der Sahel-Zone nicht gut voran. Er wird überdies leider von der schnell wachsenden Bevölkerung als Energiequelle benötigt.

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1 Fels, Edwin, Der wirtschaftende Mensch als Gestalter der Erde, Franck´sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 1954

2 Fels, Edwin, Der wirtschaftende Mensch als Gestalter der Erde, Franck´sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 1954, Seite 72

3 Gellinek, A., Renner, J., Siering, K., hitec Die Wolkenschieber, 3Sat, 13.5.2012

4 https://de.wikipedia.org/wiki/Lynmouth-Katastrophe