Robert T. Paine1 führte den Begriff und das Konzept „keystone species“ (Schlüsselart) im Jahr 1969 ein, um die ökologischen Beziehungen der Seesternart Pisaster ochraceus insbesondere zu verschiedenen Muschelarten zu klären. Nach diesem Konzept haben Schlüsselarten einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Artenvielfalt einer Biozönose. So beobachtete man im Yellowstone Nationalpark, dass nach der Wiedereinführung der Schlüsselart Wolf, über Glieder anderer Trophieebenen, wie beispielsweise Elch und Pappel indirekt die Art Biber gefördert wurde.2 Elefanten, Elche und Rothirsche schaffen und pflegen Lichtungen in Wäldern und erhöhen so die Artenvielfalt dieser Biozönosen. Auch Termiten und Blattschneiderameisen können Pflanzengemeinschaften beeinflussen, sowie durch Bauwerke Naturlandschaften mitgestalten. In hohem Maße trifft dies auch für die Biber zu, welche die für sie günstigen Feuchtbiotope zum Teil selbst erschaffen und instinktiv steuern. So könnte man auch das Great Barrier Reef vor der Nordostküste Australiens als größtes Bauwerk von Organismen des Planeten betrachten, auch wenn dessen Baumeister, die Korallen sich dieses Umstandes nicht bewusst sind. Die frühen Menschen ragten wohl kaum über dieses ökologische Maß im Rahmen des Schlüsselart-Konzeptes heraus. Paläontologische Befunde darüber hinaus sind nicht bekannt. Wohl wurden große Mengen Muschelschalen als Hinweiß einer gewissen Vorliebe für Meeresfrüchte an Südafrikas Küsten4 gefunden, in der trophischen Ebene der Predatoren größerer Landwirbeltiere erreichten sie lange Zeit sicher nicht die Bedeutung von Löwen, Leoparden und Hyänen3. Erst allmählich wurden sie für letztere Konkurrenz. Mit der neolithischen Revolution, dem Übergang zu Ackerbau und Viehzucht dagegen, der sich zuerst auf dem Gebiet der heutigen Staaten Türkei, Irak, Iran, Syrien, Libanon Jordanien und Israel vor etwa 12000 Jahren abspielte, überschritt der Homo sapiens die Grenzen dieses Modells. Zwar ist auch hier der Mensch nicht die erste Art, die Organismen kultiviert, denn seit Millionen Jahren züchten viele Blattschneiderameisen Pilzarten, die nun nur noch mit ihnen zusammen überleben können und unzählige andere Ameisenarten halten diverse Pflanzensauger, die sie sogar zu anderen Pflanzen schaffen um sie zu erhalten und melken zu können, doch die Aus-Wirkungen der menschlichen Tätigkeit beginnen räumlich begrenzt erstmals das Wirken anderer Arten deutlich zu übertreffen.
Die Effektivität und Bedeutung des ur- und frühgeschichtlichen Homo sapiens als Predator in Afrika ist schwer zu bemessen und zu belegen. Räuber und Beute haben sich in langen Zeiträumen der Evolution aneinander angepasst. In anderen Kontinenten gibt es jedoch Befunde, die zu denken geben sollten. Auffallend ist das erdgeschichtlich plötzliche Aussterben zahlreicher Arten der pleistozänen, nordamerikanischen Megafauna genau in dem Zeitraum, in dem sich moderne Geräte der Clovis-Kultur als Artefakte steinzeitlicher Jäger belegen lassen. Fünfundreißig Arten, darunter Riesenfaultiere, Riesenbiber, Mastodonten und Mammute starben aus5. Was wurde nicht alles als Gründe dafür angeführt; Seuchen, Überschwemmungen und plötzliche Veränderungen der Vegetationen sollten die Ursache sein, doch nicht der Mensch. Wie kann der Mensch daran Schuld sein? Doch die Leute die mich und andere aufgrund der Vermutung, frühe Jäger hätten dies bewirkt, in den Bereich der Esoterik stellen wollen, sollten doch einmal folgende Frage beantworten: Warum überlebten diese Arten mehrere Warm- und Kaltzeiten, mit zum Teil heftigeren Schwankungen, als in der letzten Phase und starben ausgerechnet zeitgleich in einem ganz kurzen Zeitraum aus? Unsere eurasiatischen Mammute sind demnach auch wohl aus Gram über das schöne Wetter nach Norden gewandert, um zu Tausenden in Sumpflöchern zu erfrieren. Könnte es nicht sein, dass unsere Vorfahren sie überjagt haben? Bisher nutzt der Mensch alle Ressourcen bis sie erschöpft sind. Warum sollte es ausgerechnet im Falle des Verschwindens der Megafaunen des Planeten anders gewesen sein? Einige Befunde sind jedoch ganz eindeutig. Nachweislich hat der Mensch in Neuseeland 32 Vogelarten ausgerottet. Der Einfluss von Jagd und anthropogenen Bränden auf die Landschaft in Australien6 scheint auch größer zu sein, als bisher angenommen. Verglichen mit der Neuzeit ist der Einfluss von Jägern und Sammlern auf die Natur aber eher gering.
In den Bereich der Esoterik werden viele auch meine Mutmaßung verweisen wollen, die Neolithische Revolution wäre Aufgrund einer gewissen Notlage durch Übernutzung und für Kulturen von Jägern und Sammlern relative Übervölkerung zustande gekommen. Der Übergang verlief sehr allmählich und die ersten Pflanzungen waren eine Ergänzung der knapper werdenden Nahrung, bis sie im Laufe der Zeit immer unentbehrlicher wurden. Viele Ausgrabungen belegen aber zweifellos, dass die Umwandlung von Naturlandschaft in Kulturland ein immer weiter verbreiteter Fakt wurde, seit etwa 7000 Jahren auch in Deutschland, wie älteste Brunnen im Leipziger Raum eindrücklich belegen. Heute sind nur noch beziehungsweise wieder 0,5 Prozent der Fläche der BRD naturnahe Wildnis, alles andere dient den Bewohnern des Landes zumeist als Produktionsmittel zum Bestreiten der Existenz und darüber hinaus als Einkommensquelle. Quadratmeter für Quadratmeter der Erdoberfläche werden zum gesellschaftlichen, oder aber ganz überwiegend zum Privateigentum von Menschen. Der Mensch bestimmt zum Teil bis ins Detail, welche weiteren Organismen außer ihm noch mit in dem rechtlich nur ihm zugeeigneten Areal leben dürfen. In der Hauptsache sind dies; Reis, Mais, Weizen, Gerste, Kartoffeln, Bohnen, Ölpalmen, Kautschuk, Schweine, Ziegen, Rinder, Schafe, Hühner….unsere sogenannten Nutzpflanzen- und Tiere. Gebiete die nicht, oder wenig von der Art Mensch beeinflusst werden gibt es nicht, oder kaum noch. Nur die Antarktis blieb weitgehend verschont und einige Wüstengebiete sind nur wenig und indirekt beeinflusst. Ich reiste auf der Suche nach „unberührter Wildnis“ durch Neuguinea und große Gebiete Südostasiens. Selbst in den „undurchdringlichen“ Regenwäldern, der „grünen Hölle“ fand ich überall viele Menschen.
Oft hatten sie mich schon Stunden bevor ich sie erstmals sah, beobachtet und so manches Stück Dschungel erwies sich als eines Clans Garten oder Wanderfeld im Ruhestadium. Doch in den meisten Landschaften der Welt sieht man sofort, dass das Leben von der Art Mensch dominiert und bestimmt wird. Bis in mehrere Kilometer Tiefe wird der Planet nach Rohstoffen durchwühlt und der Kohlenstoff, der sich in Milliarden Jahren in der Erdrinde angesammelt hat in wenigen Jahrzehnten verbrannt. Und all das soll keine negativen Auswirkungen haben?
4.1.4. Von der Schwierigkeit das Artensterben zu quantifizieren
Seit dem 16. Jahrhundert sind zumindest nachweislich 784 Arten durch den Einfluss des Menschen ausgestorben.7 Dies ist jedoch nur ein Stück von der Spitze des Eisbergs. Im Vergleich zur Beschreibung einer Art ist der Nachweis des Verschwindens ungleich schwieriger und findet weder Förderer noch Auftraggeber. Das Problem besteht im sehr ungenügenden Erkenntnisstand. Selbst im Falle des erwiesenen Verschwinden des Tasmanischen Beutelwolfs gibt es bis heute Zweifler. Immer wieder tauchen Gerüchte über angebliche Sichtungen analog des Phänomens Ungeheuer von Loch Ness auf. So wird verständlich, warum erst so wenige Arten auf der Liste der definitiv ausgestorbenen Arten stehen. Bis heute ist die Anzahl der existierenden Arten unbekannt. Die Erforschung vieler kleiner Tierarten, wie Spinnen, Fliegen, Wespen und Milben insbesondere der tropischen Regenwälder befindet sich immer noch im Anfangsstadium. Man muss inzwischen davon ausgehen, das viele Arten verschwunden sind, bevor sie entdeckt werden konnten.
Im neusten Bericht der IUCN wurden nur etwa 48.000 der mehr als 1,5 Millionen Arten auf ihren Bestand untersucht. Davon stehen nun 17.291 Arten auf der Roten Liste der IUCN, sind damit von der Ausrottung bedroht. Für die meisten Organismenarten ist die Datenlage schlicht völlig ungenügend. Viele Vogelarten und vor allem parasitisch lebende Pflanzen, insbesondere Orchideen sind aber seit ihrer Typusaufsammlung nie wieder gefunden worden.8 Zur Zeit suchen weltweit Amphibienforscher in der Kampagne „Lost frogs“ nach mehr als 100 der etwa 6500 verschiedenen Amphibienarten, die seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr gesichtet werden konnten. Bis jetzt sollen allein in Mittelamerika etwa 40 Froscharten durch die weltweit grassierenden Chytrid-Pilzinfektionen verschollen sein. Doch wurden auch einige wenige verschollen geglaubte wiederentdeckt. Neben der Pilzinfektion und der Vernichtung der Lebensräume scheint auch die Nutzung von Fröschen eine gewissen Rolle zu spielen. Allein Indonesien exportiert pro Jahr etwa 4000 Tonnen Froschschenkel. Das entspricht den Beinen von etwa 150 Millionen Tieren, die zumeist Wildfänge sind.7
So finden sich auf der Liste der ausgestorbenen Arten nur die Fälle, bei denen völlig aussichtslos ist, dass sie irgendwo versteckt überlebt haben könnten. Auch ist das Verschwinden einer Art in einem Gebiet wie beispielsweise Deutschland nicht relevant, wenn die Art anderswo noch existiert. Auch die Säbelantilope Oryx damah ist so gesehen noch nicht ausgestorben, auch wenn sie in ihrem ursprünglichem Gebiet nicht mehr vorkommt, denn etwa 1000 Tiere existieren in den verschiedenen Zoos der Welt. So bleibt für die Nennung konkreter Zahlen nur die Möglichkeit einer mathematischen Hochrechnung. Neueste Erhebungen gehen dabei von einer Aussterberate von 3 bis 130 Arten pro Tag aus.1
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Quellen:
Die Sechste Auslöschung. Wie Pflanzen, Tiere und Kulturen von der Erde verschwinden
1 Paine, R.T.: A Conversation on Refining the Concept of Keystone Species.In: Conservation Biology. 9, Nr. 4, 1995, S. 962–964
2 Bruce W. Baker, Heather C. Ducharme, David C.S.Mitchell, Thomas R.Stanley,Paul Peinetti: Interaction of beaver and elk herbivory reduces standing crop of willow.Ecological Applications 15(1) (2005): 110-118
3 Peter Rowley-Conwy in; Burenhult, Goran at all, People of the Past. The Epic Story of HumansOrigin and Development, Weldon Owen Pty Limited and Bra Böcker AB
4 Burenhult, Goran at all, People of the Past. The Epic Story of Humans Origin and Development, Weldon Owen Pty Limited and Bra Böcker AB
5 Burenhult, Goran at all, People of the Past. The Epic Story of Humans Origin and Development, Weldon Owen Pty Limited and Bra Böcker AB
6 Timothy Flannery in; Burenhult, Goran at all, People of the Past. The Epic Story of HumansOrigin and Development, Weldon Owen Pty Limited and Bra Böcker AB
7 www.wwf.de/themen/artenschutz
8 Thassilo Franke, Untersuchungen zur Biologie mycoheterotropher Pflanzen, Referat, Boppart, 2001
9 Kein Frosch zuviel, Zeit online, 05/2011